2007-10-30

Meine anonyme Großstadt

Es war schon irgendwie immer klar, dass ich nach der Schule in das große Berlin ziehe. Sozusagen der Masterplan für mich damals. Die Großstadt, weg aus dem Kaff, in dem jeder jeden kennt - auch wenn es nur über 2 oder 3 Ecken ist. Etwas mehr als 7 Jahre ist das nun her. Ich habe diesen Schritt nie bereut und bin auch nach wie vor verliebt in diese Stadt, nenne sie meine Heimat. Dieses große Ungetüm Berlin war mir nie unheimlich. Wir kannten uns ja schon mein Leben lang. Die lieben Omas leben hier, die Kuhsine war da, Cousin, Tante, Onkel. Später auch Vater, noch viel später Schwester. "Du hast jetzt eine Wohnung in der Nähe deiner Schwester" sagte Mutter, als ich aus den letzten Sommerferien zurück kam. Riesig war die Freude. 3 Wochen später saß ich abends im Prenzlauer Berg allein. Schwester war im Urlaub. Am Abend zuvor haben noch ein letztes Mal die Freunde vorbei geschaut, die letzten Zigaretten wurden im "Kinderzimmer" geraucht und ein Bisschen getrunken. Das war ein schöner Abend.

An Berlin fiel mir bald auf, dass die Stadt gar nicht so groß ist, wie alle denken. Ständig habe ich die selben Leute getroffen. Am 1. Tag in der Uni mit über 40000 Studierenden traf ich ausgerechnet auf 2 Leute, mit denen ich zusammen im Kaff Theater spielte. Das war auch gleich die erste Partyeinladung. Es folgten viele Einladungen mehr. Dort traf man auf andere Leute, die sich dann später auch in der Uni wiederfanden und in den Cafés als Dauergast saßen oder die gleichen Seminare oder Sprachkurse besuchten, zufällig im gleichen Callcenter jobbten oder auch dieselbe Straßenbahn nahmen, hinaus aus einem Bezirk, der uns beiden fremd war, aus verschiedenen Richtungen kommend.
3 Jahre später folgte ein Umzug aus Prenzlauer Berg hinein in den "Wedding, die Perle unter den Berliner Bezirken" (H. E.). Hier lebe ich immernoch. Mittlerweile mit Freundin zusammen. Nebenan wohnte früher eine Kollegin der Schwester. Die zogen dann ins ferne Bayern. Seit etwas über einem Jahr wohnen Schwester samt Freund in dieser Nachbarswohnung. Unter uns leben immernoch eine von Schwesters Kolleginnen und deren Freund. Er war der Ausbildungsleiter von Miss Sophies Ex-Mitbewohnerin. Eine Etage darunter wohnt das seit neuestem verpartnerte schwule Paar. Wir laden uns alle gerne in unregelmäßigen Abständen zueinander zum Schwatz und Essen und was dazu gehört ein. Wir verleihen auch gerne Dinge aneinander. Wir wissen ja auch, wo sie wieder zu holen sind. Zu Silvester stoßen wir gerne gemeinsam an. Man kann uns auch mal im Hausflur quatschen hören. Ebenfalls ein Plausch mit dem BlockHauswart über Abfallentsorgung, Haustiere oder Fidel Castro kann mitunter schon mal an der Tagesordnung sein.
An der Straßenecke ist der nächste Bäcker. Am Wochenende kaufen wir dort unsere Schrippen und die Verkäuferinnen sind ganz irritiert, wenn die Bestellung mal etwas anders ausfällt als gewöhnlich. Trifft man die Bäckereifachverkäuferin, deren Mann oder auch die Kassiererin, aus der nahe gelegenen Kaufhalle, auf der Straße, wird sofort ein freundliches "Hallo" ausgetauscht. Auch der Italiener um die Ecke freut sich jedes Mal, wenn wir das Lokal betreten. Er kennt mittlerweile auch unsere abschließenden Getränkewünsche nach einem sehr guten opulenten Mahl.

Vor etwas über 7 Jahren kam ich in die große, weite, anonyme Großstadt um jetzt doch wieder wie in meinem Heimatkaff in meinem Kiez zu leben. Nur besser.

Keine Kommentare: